Es ist schon später als 5 vor 12

Ende 2015 wird in Paris die 21.(!) Weltklimakonferenz (COP 21) stattfinden. Die Delegierten von über 190 Staaten stehen vor einer großen Herausforderung: Sie müssen - sozusagen in letzter Minute - einen Weltklimavertrag vereinbaren, der klar darauf abzielt, dass bis 2050 die jährlichen Treibhausgasmengen, insbesondere die CO2-Emissionen, global insgesamt um rund die Hälfte gegenüber 1990 gesenkt sein werden und bis zum Ende des Jahrhunderts gegen Null tendieren. Aus Rücksicht auf technisch noch nicht so entwickelte Länder müssen die Länder mit den aktuell pro Kopf größten Treibhausgasemissionen bis 2050 schon nahezu Nullemission erreichen.

Logo der Weltklimakonferenz

2015 in Paris

Letzte Ausfahrt: Paris 2015

Das weltweit anerkannte Klimaschutzziel, die globale Erwärmung auf durchschnittlich max. 2° C gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen, bedeutet: Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre darf eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Wegen der unglaublich großen Mengen an Treibhausgasen, insbesondere CO2, die seit Jahrzehnten jährlich zusätzlich emittiert wurden und werden, wird das von der 2-Grad-Marke bestimmte Konzentrationsmaximum für CO2 in der Luft in wenigen weiteren Jahrzehnten erreicht sein. Ab dann darf – soll die Marke nicht überschritten werden – keine weitere Konzentrationserhöhung mehr erfolgen. Und wegen der sehr langsamen Reaktion zwischen der Treibhausgasemission und dem Klima-geschehen ist es schon jetzt "ganz kurz vor 12" dafür, dass das noch "ausschöpfbare" globale Emissionsbudget aufgebraucht sein wird.

 

Gelingt es in Paris nicht, Maßnahmen zu vereinbaren, die tatsächlich rechtzeitig zu ausreichender Emissions-reduktion führen, werden wir das 2-Grad-Ziel deutlich verfehlen - mit schlimmen Folgen, wofür jüngst der bisher heftigste Zyklon "aller Zeiten" über dem Inselstaat Vanuata ein weiterer Vorgeschmack war.

 

Zu viel schon an verlorener Zeit

Seit nunmehr 25 Jahren bemühen sich Menschen und Organisationen, die das Treibhausgasproblem und seine Folgen erkannt haben, darum, den Ausstieg aus der Nutzung von fossilen Energieträgern (Kohle, Öl, Erdgas) durchzusetzen - mit sehr magerem Erfolg. Nicht einmal die im Kyoto-Protokoll von 1997 eingegangene Verpflichtung der Industriestaaten, bis 2012 ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 5 % gegenüber 1990 zu senken, konnte insgesamt eingehalten werden. Statt zu sinken, steigt die weltweite jährliche Emissionsrate ständig weiter an.

 

Die deutsche Klimapolitik

Die deutsche Politik hat sich schon in der Vergangenheit in der Thematik sehr engagiert. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, die 2012 ihre Kyoto-Verpflichtung erfüllt hatten. (Dass wir zum Ende der ersten Verpflichtungsperiode so gut dastanden, war allerdings insbesondere durch den industriellen Umbruch in den "neuen" Bundesländern begünstigt.) Vor Jahren noch galt unser Land als Vorreiter für einen ambitionierten Klimaschutz. Für das Jahr 2015 sind aber Dänemark und Schweden auf den ersten beiden Plätzen des Klimaschutz-Indexes von Germanwatch notiert; Deutschland hat dort aktuell 18  andere Länder vor sich. Dänemark und Schweden sind gegenwärtig die einzigen Länder, die ihren notwendigen Beitrag leisten, um das Zwei-Grad-Limit einzuhalten.

 

Die deutsche Regierung bemüht sich, Versäumtes nachzuholen. Anfang Dezember 2014 hat sie das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen. Mit den darin enthaltenen Maßnahmen will die Bundesregierung das schon früher von ihr erklärte Ziel erreichen, bis 2020 die jährliche deutsche CO2-Emissionsmenge um 40 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern. Ohne das Programm würde Deutschland dies Ziel um fünf bis acht Prozentpunkte verfehlen.

 

 "... es reicht nicht!"

Der Vorsitzender des BUND z. B., Prof. Weigner, hat noch vor kurz vor dem erwähnten Kabinettsbeschluss in einem Brief an die Bundeskanzlerin gemahnt, die geplanten Maßnahmen zur Umsetzung des Aktionsprogramms seien bei weitem nicht ausreichend. So müsse z. B. die von Wirtschaftsminister Gabriel vorgeschlagene Emissons-minderung um "mindestens 22 Mio. Tonnen CO2" durch Reduktion der Kohleverstromung  im Ergebnis mindestens verdoppelt und besser noch verdreifacht werden.


Zur kabarettistischen Auflockerung eine Ballade:

Franz Hohler, Der Weltuntergang

                                             (verfasst 1973), besonders passend in Bezug auf "Minderung der Artenvielfalt" und "Versauerung der Meere" durch CO2-Emissionen und Klimawandel                          

(Verwendung nur an diesem Ort und zu diesem Zweck mit Erlaubnis von Franz Hohler)


Eine andere im Aktionsprogramm aufgeführte dringend anzugehende Baustelle ist der bisher völlig unbefriedigend

wirkende „Europäische Emissionshandel“. Er muss stark nachgebessert werden. Das EU-Parlament hat vereinbart, entsprechende Vorgaben ab 2020 einzuführen. Die Bundesregierung möchte laut Aktionsplan, dass diese Reform bereits deutlich vor 2020 realisiert wird.

 

Aber auch die Verbesserung des Emissionshandels, eine Reduzierung der Kohleverstromung und weitere im Aktionsplan genannte Vorhaben werden nicht genügen, um das Ziel für 2050 zu erreichen. Es braucht dringend zusätzliche Steuerungsimpulse, die in Richtung jener etwa 50 % aller noch nicht vermiedenen CO2-Emissionen wirken, die (bisher) außerhalb des Verpflichtungsbereichs Emissionshandel entstehen. So könnte eine Klimaabgabe für die weitere Nutzung von mit CO2-Emissionen belasteten Energieträgern, Produkten oder Dienstleis-tungen aus marktwirtschaftlichen Gründen die Umstellung auf die ausschließliche Nutzung erneuerbarer Energie beschleunigen.


 

Der alles bestimmende Zielpunkt:

Stopp des CO2-Konzentrationsanstiegs bis 2050

Bei aller  Planung ist zu bedenken: 2020 wird Deutschland im besten Fall ein Teilziel (CO2- Emissionsminderung um 40 % gegenüber 1990) erreicht haben. Es geht aber darum, bis 2050 in den Industrieländern mindestens 80 – 95 % Reduzierung gegenüber 1990 zu realisieren, möglichst sogar nahezu klimaneutral zu leben und zu wirtschaften.

 

Die Bundesregierung will im Jahr 2016 einen nationalen Klimaschutzplan 2050 verabschieden und darin weitere Zwischenziele für die Zeit nach 2020 bis zum Erreichen des langfristigen Klimaschutzziels in 2050 verankern.

 

Es gilt für uns zu begreifen, was bis 2050

geleistet sein muss und unseren

Anteil daran zu akzeptieren

Das langfristige Klimaschutzziel bedeutet: Spätestens bis 2050 müssen zumindest wir in den technisch schon hoch entwickelten Ländern erreicht haben, dass wir nur noch solche Energie nutzen, die ökologisch vertretbar produziert und emissionsfrei eingesetzt wird. Das erfordert u. a. die Abschaltung (fast?) aller konventionellen Kraftwerke und sonstige technische Umbauten mit erheblichem Kostenaufwand. Außerdem wird man im Bereich von Gewinnung, Verarbeitung und Vertrieb fossiler Brennstoffe und bei mit ihm verknüpften Bereichen mit womöglich erheblichen Arbeitsplatz-verlusten rechnen müssen. Davon muss in unserer Gesellschaft viel lauter und vorbereitend gesprochen und berichtet werden!

 

Und wenn der Abschied von der Kohle unausweichlich den Strom teurer machen sollte und deshalb z. B. Brot und Kuchen beim Bäcker schon wieder teurer werden, dann führt dennoch kein Weg darum herum. Die Politik muss nur dafür sorgen, dass die Umstrukturierung sozial verträglich gestaltet wird.

 

'Klimaschutz wollen' heißt auch: 'Belastungen mittragen'

Ohne, dass die genannten Belastungen von den Bürgern und Wählern akzeptiert werden, wird in Demokratien den Politikern, die wieder gewählt werden möchten, der Mut fehlen, das Notwendige tatsächlich durchzusetzen. Nicht diejenigen – ob Politiker oder nicht –, die taugliche, aber schmerzliche Maßnahmen für den Klimaschutz fordern (wie z. B. den Kohleausstieg oder eine CO2-Abgabe für jegliche CO2-Emission) blockieren einen erfolgreichen Klimaschutz, sondern diejenigen, die letztlich doch andere (finanzielle und sonstige) Interessen über den Klimaschutz stellen. Das Problem der bisherigen Klimaschutz-anstrengungen sind die Bremser, die nicht wahrhaben oder gelten lassen wollen, dass wir für unsere Energienutzung den ökologisch wahren Preis zahlen müssen und dass die Umstellung unter einer klaren Fristsetzung steht. Die Ausblendung der Verantwortung für den Missbrauch der Atmosphäre als Abgasdeponie über viele Jahrzehnte hinweg macht den nun zu zahlenden Preis für den Umstieg in einem inzwischen notwendigerweise schnellen Sinkflug hin zur Null-Emission leider für alle individuell spürbar.

 

Wir Bürger und Wähler müssen uns rühren!

In meiner Petition nehme ich den inzwischen längst verbreiteten Vorschlag auf, eine generelle Zahlungs-verpflichtung für CO2-Emissionen einzuführen, damit die Nutzung von CO2-emissionsfreien Energieträgern, Produkten und Dienstleistungen für jeden finanziell attraktiv und so die Umstellung weg von fossiler Energienutzung beschleunigt wird.

 

Dass ich als Einzelperson unserer Bundesumwelt-ministerin in Berlin eine entsprechende Petition überreiche, wird wohl kaum die notwendige gesell-schaftliche Bewusstseinsbildung voranbringen. Die Aktion braucht viele Unterstützer und eine breite öffentliche Wahrnehmung im Licht der Zielmarke unserer Klimaschutzpolitik: "Einhaltung der 2-Grad-Grenze". Deshalb meine lange Radtour von Krefeld nach Berlin - mit viel Umweg, um unterwegs die Einschätzung großer Umwelt/Klimaschutzorganisationen einzuholen (vgl. Interviews). Eine Stellungnahme aller Bundestags-fraktionen und einzelner Abgeordneter zu dem Anliegen meiner Petition habe ich schon im Vorfeld bekommen (vgl. Politiker-Stimmen).


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